Die Evangelische Kirche AB in Rumänien
Die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien
Historische Entwicklung der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR)
Die EKR ist auch als „Kirche der Siebenbürger Sachsen“ bekannt, da sie in ihren Ursprüngen die Kirche dieser Volksgruppe war. Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen reicht mehr als 850 Jahre zurück. Bereit im zwölften Jahrhundert ließen sich Siedler aus der Rhein- und Moselgegend in Siebenbürgen nieder. Gerufen zur Verteidigung der Grenzen und zur Erschließung des Landes, gründeten sie Dörfer und bauten Städte. Die Gotteshäuser waren zugleich Zufluchtsort und wurden deshalb immer mehr zu jenen Kirchenburgen ausgebaut, die heute ein charakteristisches Merkmal der siebenbürgischen Landschaft sind. In ihrem Kernsiedlungsgebiet, dem “Königsboden”, konnten die Siebenbürger Sachsen wertvolle Privilegien genießen und sich in weitgehender Autonomie selbst verwalten. Sie gehörten – zusammen mit den Ungarn und Szeklern - zu den staatstragenden Nationen, die im Siebenbürgischen Landtag gemeinsame Beschlüsse faßten.
Die lutherische Reformation unter den Siebenbürger Sachsen
Zwischen 1542 und 1550 fand die lutherische Reformation in Siebenbürgen statt, die von den
Sachsen geschlossen angenommen wurde. Der theologische und organisatorische Wortführer des reformatorischen Gedankenguts war der Kronstädter Humanist Johannes Honterus. 1550 wurde die lutherische Kirche offiziell anerkannt. Die Bezeichnung “Evangelisch A.B.” steht für “Evangelisch Augsburgischen Bekenntnisses”. Die Verkündigungssprache ist seit der Reformation Deutsch (bzw. Mundart), da es sich um eine geschlossene ethnische Gemeinschaft handelte Die Bischöfe der Evangelischen Kirche residierten von 1572 bis 1867 in Birthälm, ab dann in Hermannstadt. Das soziale Leben war mit dem kirchlichen Leben eng verwoben. Die sächsischen Dörfer waren in Nachbarschaften organisiert, deren gewählte Vertreter über ein geregeltes Gemeindeleben wachten. In den Städten übernahmen die Zünfte die organisatorische Verantwortung. Neben den Sachsen siedelten sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder auch andere lutherische Menschen in Siebenbürgen an. Dies waren in vor allem die Landler aus dem Alpenraum, die Hanauer und die Durlacher, die sich in der Gegend von Mühlbach (Sebes Alba) niedergelassen haben. Mit Ausnahme der drei Landlergemeinden Großpold (Apoldul de Sus), Großau (Cristian) und Neppendorf (Turnisor) haben die Zuwanderer sich weitgehend in die siebenbürgisch-sächsische Bevölkerung integriert.
Die Volkskirche der Siebenbürger Sachsen
Mehr und mehr entwickelte sich die Kirche zur allgemeinen Interessensvertretung der Siebenbürger Sachsen. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Fragen, vor allem
aber die Ausbildung der Jugend in den kirchlichen Schulen rückten immer mehr ins Zentrum der Tätigkeiten. Die akademischen Pfarrer wurden alle an deutschsprachigen Universitäten ausgebildet, so dass die Verbindung zu der jeweiligen Theologie nie abbrach. Bedeutende Pädagogen, wie etwa der aus Mediasch stammende Schulreformer und Revolutionsheld von 1848 Stephan Ludwig Roth kamen aus den Reihen der evangelischen
Pfarrerschaft. Nachdem die Siebenbürger Sachsen durch den österreichisch-ungarischen “Ausgleich” 1876 ihr Recht auf politische Selbstverwaltung verloren hatten, erreichte
die Verflechtung kirchlicher, administrativer, politischer, wirtschaftlicher und kultureller
Interessensvertretung unter Georg Daniel Teutsch (Bischof von 1867–1893) ihren
Höhepunkt.
Evangelische Kirche A.B. in Rumänien
Durch die Folgen des Ersten Weltkrieges und die Gründung des Staates Großrumänien, sah sich
die Evangelische Kirche vor gänzlich neuen Herausforderungen: Aus der Evangelischen Kirche A.B. in den siebenbürgischen Landesteilen Ungarns wurde die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien und umfasste nun neben dem historischen Kerngebiet in Siebenbürgen nun auch die Kirchengemeinden anderer Regionen, ehemals österreich-ungarische (Banat und Bukowina), rumänische “Altreich” (Walachei und Moldau) und russische (Bessarabien). Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Kirche mit knapp 500.000 Gemeindegliedern ihre stärkste geschichtliche Größe.
Unter dem Einfluss der politischen Konjunktur und der Radikalisierung in den 1930er-Jahren stand die Kirchenleitung mehr und mehr unter dem Druck, sich aktiv an der rumäniendeutschen Parteipolitik zu beteiligen. Das hatte dann aber auch zur Folge, dass mit der Besetzung Rumäniens durch das Sowjetregime, die deutschsprachige Bevölkerung unter kollektiver Schuld stand.
So musste schließlich nach 1944/45 unter völlig neuen Bedingungen und in schwerer Bedrängnis ein Neuanfang unternommen werden. Viele Kirchenglieder waren bis in die 1950er-Jahre zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, im Zuge der Enteignungen durch das neue Regime verlor auch die Evangelische Kirche Gebäude, Grundstücke und Wälder. Allein die Kirchgebäude blieben ihr erhalten. Doch unter dem neuen Bischof Friedrich Müller-Langenthal konnte die Kirche sich trotz politisch bedingter Zurückdrängung langsam konsolidieren. Das kirchliche Leben konnte innerhalb der Gemeinden – mit Predigt, Seelsorge und Katechese - weitergeführt werden, wenn auch nicht als gesellschaftliche Größe, da kirchliche Schulen und Vereine aufgelöst wurden. Gleichzeitig begann jedoch eine stetig größer werdende Auswanderung von Gemeindegliedern und Pfarrern in die Bundesrepublik Deutschland
“Aus Glauben Leben in Gemeinschaft gestalten.”
Die Kirche bleibt
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wanderten im Jahr 1990 zwei Drittel der evangelischen Gemeindeglieder nach Deutschland aus. In den darauffolgenden Jahren dauerte dieser Prozess an, so dass die Zahl der Gemeindeglieder auf rund 11.000 schrumpfte (2023). Die neue Kirchenordnung berücksichtigt den Wandel von einer „Volkskirche“ zu einer „Diasporakirche“. Die wesentlichen Aufgaben der Kirche sind: die Verkündigung des Wortes Gottes und die Verwaltung der Sakramente, die Seelsorge und Diakonie, die Unterweisung der Kinder und der Jugend, der schulische Religionsunterricht, das Verwalten und Bewahren der Archiv- und Kulturgüter, die ökumenische Zusammenarbeit mit Kirchen im In- und Ausland. Die Kirche versucht in ihrem gesellschaftlichen und politischen Kontext lutherische Identität fruchtbar zu machen und das reformatorische Zeugnis weiterzugeben.
Heutige Gestalt der EKR
Die EKR ist bemüht sich den neuen äußeren und inneren Gegebenheiten anzupassen. Sie bewahrt weiter ihren episkopalen Charakter (heute: Bischof Reinhart Guib), lebt aber aus ihrer synodalen Struktur. (Alle Ebenen werden durch Gremien geleitet, die eine Mehrheit von Laien aufweisen). Das Vereinswesen und die institutionelle Diakonie sind nach der Überwindung des Kommunismus wieder zu tragenden Säulen der Kirche geworden. Durch die konfessions- und kulturverbindenden Ehen ist die rumänische Sprache zu einer wichtigen Zweitsprache in der kirchlichen Verkündigung und der Arbeit geworden. Auch die gewonnene Mobilität innerhalb der Europäischen Union formt die einzelnen Gemeinden. Besonders hat sie die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Ausgesiedelten ehemaligen Gemeindeglieder wieder in den Heimatgemeinden engagieren können. "Obwohl die meisten Kirchen der EKR in ländlichen Gegenden stehen, leben die Gemeindeglieder heute vorwiegend in Städten. Die größten Gemeinden sind in Bukarest, Hermannstadt (Sibiu), Kronstadt (Brasov), Mediasch und Schäßburg (Sighisoara)"
Aktuelle Herausforderungen
In der Kirche hat die Frage der Qualität die der Quantität längst abgelöst. Nahe bei Gott und den Menschen zu bleiben ist wichtig. Gründung weiterer Gemeindeverbände (z.Z. 8), welche die Kleinstgemeinden mit größeren Stadtgemeinden verbinden, werden angepeilt um Lebens- und Glaubenseinheiten zu bilden, die in Zukunft überlebensfähig sind. Durch das ZETO (Zentrum für Evangelische Theologie Ost), theologische Ausbildung und haupt- wie ehrenamtliche Fortbildungen ist es eine bleibende Herausforderung die junge und engagierte Mitarbeitendenschar in der Jugendarbeit, Frauenarbeit, Diakonie, Religionsunterricht, Kirchenmusik, Ehrenamtsarbeit zu motivieren. Deutsch- wie rumänischsprachige, aktuelle wie ehemalige Gemeindeglieder und Symphatisanten zu integrieren ist weiterhin eine spannende Aufgabe. Nicht minder wie das Hineinbringen in die hauptsächlich rumänische orthodoxe Gesellschaft der evangelischen Werte, wie Reformwillen, Toleranz, Solidarität, Glaubensfreiheit, Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Verantwortungsbewusstsein, Gemeinschaftssinn, Brücken bauen in der Ökumene. Vorangetrieben wird der Erhalt, die Förderung und Öffnung der Kirchenburgenlandschaft die Lebens- und Glaubensraum bietet und mit der EKR identifiziert wird. In alldem und im Eingehen von Kirchen- wie kulturellen Partnerschaften wollen wir mitbauen am Haus Europa und an der einen Kirche Gottes.